Dienstag, 29. Dezember 2009

Funktionslust

Ich bin seit gestern stolzer Besitzer einer Canon EOS 500D. Ich nenne sie Herrmann. Herrmann trat im ostwestfälischen Raum in mein Leben und bevor ich ihn besser kennenlernen konnte, mussten wir schon zum Zug zurück nach Hause. Der war leider dermaßen voll, dass ich netto 15 Minuten gesessen habe, irgendwo zwischen Minden und Hannover. Das reichte leider nur für den Abschnitt "Batterien einlegen" der Anleitung. Als ich dann endlich zu hause war und Herrmann mit frischem Akku versorgt hatte, konnten wir das tête à tête fortsetzen.

Und das kann Herrmann schon:







Mehr von Herrmann später...

Montag, 21. Dezember 2009

Anti Wiren Programm

In letzter Zeit häufig gehört:

"Wir finden das schön!"
"Wir gehen zu unserem Lieblingsrestaurant."

Einige Adjektive sind einfach nicht fürs "wir" gemacht und hören sich in der Konsequenz beim Wiren ziemlich merkwürdig an. Auf der Fahrt nach Bielefeld verscheuchte ein Paar mit frischgebackenem Kleinkind ein etwas älteres Paar mit Hund vom Vierer, weil "wir den reserviert haben". Das Paar als abgeschlossene Entität und allein gegen die Welt. Da wirkt Wiren natürlich identitätsstiftend. Ich verzichte auf den Quatsch lieber, natürlich auch auf frischgebackene Kleinkinder.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

7 Tage Advent

Da stolpert man bei der Süddeutschen über den Kelloggs-Keks John Harvey. Ich dachte bisher naiverweise, der Knilch hätte mal ausprobiert wie geröstete Maisflocken schmecken und entdeckt, dass sich damit ganz gut Geld verdienen lässt. War aber anders:

John Harvey Kellogg war überzeugter Siebenter-Tags-Adventist, und sah eine unreine Lebensführung als Wurzel allen Übels, so auch für allerhand körperliche Gebrechen. Und die Gegend, wo das Unreine auf den Körper trifft war nunmal Magen und Darm. Deshalb dachten sich die Kellogg-Brüder eine vegetarische und "reine" Frühstückskost aus. Und wenn das nicht half, gabs Einläufe mit Joghurtwasser oder wurde was vom Darm weggeschnitten. Und wer danach nicht geheilt war, machte sich durch Onanieren selber krank. Da wurde dann was vom Schniepi weggeschnitten. Oder eben die Clitoris verätzt.

Als übrigens der andere Kellogg-Bruder, Will Keith, auf die Idee kam, die Cornflakes zu zuckern, war das für John Harvey zu viel. Seitdem haben beide angeblich nicht mehr miteinander geredet. Wer sich also für Kelloggs Frosties entscheidet, wählt nicht nur schlechte Zähne sondern auch eine reformiertere Ernähungsauffassung.

Sonntag, 6. Dezember 2009

Seelenküche

Gerade war ich im C/O Berlin, wo ich mir Nan Goldins Partyfotos angesehen habe. Jaja, revolutionär damals, mag sein. Warum man immer noch eine ganze Ausstellung mit Fotos von Heroinnadeln, Schwulensex und Suffbildern pflastern muss, habe ich nicht vestanden. Besonders raffiniert waren die Bilder jedenfalls nicht.





Gestern abend war ich in Bielefelder Lichtwerk auf der Vorpremiere Promotour von Soul Kitchen, dem neuen Film von Fatih Akin. Teil der Hoffnung in diese Promoveranstaltung, bei der Regisseur und die meisten Darsteller immerhin persönlich zugegen waren, ist ohne Frage die Populärmachung des Films mittels Mundpropaganda. Nun denn: Es geht im Groben um Adam, einen Restaurantbesitzer in Hamburg. Der Frittiersalon läuft so einigermaßen und wird vor allem durch Fernfahrerkundschaft am Laufen gehalten. Mit seinem Bruder und dem neuen Koch (Birol Ünel aus Gegen die Wand) beschließt Adam, gehobenere Küche anzubieten und sein Restaurant aufzupimpen. Dann wirds ein wenig turbulent, und Adam hat auf einmal eine menge Schulden am Arsch und Rückenprobleme. Den Rest des Films ist er damit beschäftig, da wieder rauszukommen. Rundum ein guter und sehenswerter Film. Und weils die Vorpremiere Promoveranstaltung war, konnten danach auch Fragen an Fatih Akin und Konsorten gestellt werden. Neben einigen sinnvollen Dingen gabs auch Interrogationen à la "wann drehst du einen Film in Bielefeld" und "was wolltest du mit dem Film aussagen" der Filmnerds. Meine Frage, ob der Tod von Monika Bleibtreus Charakter im Nachhinein für komische Gefühle gesorgt hat, hab ich mir dann verkniffen und mich lieber an die Bar gesellt.

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Yes! Men!

Auf die Jungs komme ich, weil die Medien wie verrückt über die Chemiekatastrophe von Bhopal vom 3. Dezember 1984 berichten. Damals trat in Indien eine Wolke giftiges Gas aus einem Werk der Union Carbide Corporation aus und verätzte die Schleimhäute von ca. 100000 Menschen rund um das Werk. Der Chef von Union Carbide ist zwar hingeflogen, wurde dann aber sofort verhaftet. Nachdem er die Kaution bezahlt hatte, entzieht er sich gerade der Haft in den USA. Union Carbide hat zwar Entschädigungszahlungen geleistet, diese decken aber nicht einmal die medizinischen Behandlungskosten. Vor fünf Jahren schien dann Union Carbide doch Verantwortung zu übernehmen:



Bis die bbc mitbekam, dass das gar kein Pressesprecher war, war der Kurs des Unternehmens bereits um 2 Milliarden Dollar eingebrochen. Das nützt zwar den Opfern nicht viel, sorgt aber für Schadenfreude.

PS: Die Freunde von den Yes Men sind unter anderem auch verantwortlich für die Fake-Ausgabe der New York Times. Ja, genau die Ausgabe, in der G.W. Bush wegen Hochverrats angeklagt und der Irak-Krieg als beendet erklärt wurde (hier kann man sie runterladen).

Donnerstag, 26. November 2009

Dinosaurier

Dinosaurier gab es ziemlich lange, sie waren groß, starben plötzlich, und rotten jetzt so vor sich hin. Genauso wie der ehemalige Freizeitpark VEB Kulturpark. 1961 gegründet, nach 1991 als Spreepark Plänterwald weitergeführt, 2002 geschlossen. Das Gelände umfasst ein Riesenareal mit Achterbahnen, Wildwasserbahn, Zirkus, Fachwerkstädtchen, Riesenrad und Fressbuden. Der Besitzer setzte sich mit einigen seiner Karussells nach Kolumbien ab, kam mit den Fahrgeschäften und mehr als 100 Kilo Koks zurück und wanderte erstmal ins Gefängnis. Seit 2008 wohnt er in einem Wohnwagen auf dem Gelände. Das modert vor sich hin. Diesen Sommer war ein beliebter Sport, im Treptower Park über den Zaun zu hüpfen um sich den Park aus der Nähe anzuschauen. Der patroullierende Wachdienst beließ es anfangs bei der Aufnahme der Personalien und Platzverweisen, mittlerweile sind pauschal 50€ fällig. Allerdings gibt es Sonntags auch Führungen, organisiert von einem Fan des Parks. Man kann also 2 Stunden über das Gelände stolpern, sich Geschichten über den Park anhören und Fotos machen. Fotos waren schwer angesagt, jedenfalls war die Dichte professioneller Fotoausrüstungen unter den 30 Mitläufern ziemlich hoch. Der Wachdienst war natürlich immer vor und hinter uns. Anscheinend macht der seinen Job im Moment unbezahlt und in der Hoffnung, beim nächsten Investor dann einen Fuß in der Tür zu haben. Ich glaub ja eher, die Jungs bewachen das Koks in der Achterbahn.


Immerhin, die Führung mitzumachen lohnt sich auf jeden Fall. Der Park muss damals von heute auf morgen geschlossen worden sein, denn im Häuschen der Wasserbahn steht noch das Kaffeegeschirr und am Eisstand vergammeln Waffeln mit Mindesthaltbarkeitsdatum 2002. Und wenn man rechts und links kuckt, sieht man allerlei merkwürdiges oder unglaublich schönes. Zum Beispiel:


Jurrassic Park



Wildwasserbahn




Eingang zum Tunnel des Spreeblitz

Leider wird die letzte Führung am 6.12.09 angeboten - und nächstes Jahr soll das Gelände neu bebaut werden. Im Gespräch sind Erich von Däniken, der dort einen UFO-Park aufmachen will, Studenten die das Gelände zur Permaforschung nutzen wollen, oder - Spreepark reloaded. Falls das geschieht macht hoffentlich einer das Laub aus der Rinne und die Äste aus dem Weg.

Samstag, 21. November 2009

linke Streitkultur

Am Mittoch gabs im Café der taz eine Podiumsdiskussion zu brennenden Autos und darüber, ob die als politische Reaktion auf die Yuppiesierung des Kiezes angemessen sind. Das ist das Problem: Hausbesetzer, Künstler und allerhand andere begabte Leute ohne Geld siedeln sich da an, wo man günstig oder für umme wohnen kann und bringen natürlich ihre Kreativität mit. Dadurch wird die Gegend auch für den Mainstream interessant, es gibt Ausstellungen, Cafés, besetzte Häuser, Volxküchen und Kloppereien mit der Polizei. Daher kaufen große Gesellschaften Wohnraum auf, schleifen den Dielenboden ab, setzen große Fenster ein, kleben Styroporstuck an die Decke und bauen Zentralheizung ein. Und vermieten sie anschließend für das doppelte weiter. Das können sich die mittellosen Kreativen nicht leisten, ziehen weg und werten den nächsten Bezirk auf. Gentrifizierung ist hier das Stichwort. In diesem Fall zünden sie aus Protest ein paar teure Autos an, um den reichen Neuzugezogenen ihr Missfallen kundzutun. Während Prenzlauer Berg den Prozess schon komplett durchlaufen hat, ist er in Friedrichshain und Kreuzberg bereits voll im Gange, und in Kreuzkölln fängts jetzt gerade an.

Und dann versammelte sich im Redaktionsgebäde der taz ein Konglomerat von Menschen, um mal drüber zu reden. Die Pullis reichten von Fred Perry bis selbstgestrickt, auf der Bühne saß ein schwäbischer ehemaliger Hausbesetzer und jetziger taz-Redakteur, ein innenpolitischer Sprecher der Grünen, und der Vorsitzende der Berliner antifa. Ein etwas unbeholfener Moderator mit journalistisch zu großen Schuhen glänzte mit Fragen wie

"Ganz schön heiß in Berlin, was?"
und
"Jetzt brennen in Berlin Autos. Christoph, was hast du dir dabei gedacht?"

Was auf der Bühne abging war weniger spektakulär. Der Sprecher der antifa zeigte Verständnis für die Wut, riet aber zu gewaltlosen Protestformen. Der junge Grüne hielt sich mit politischen Floskeln und Abweigelungen über Wasser, und taz-Redakteur Christoph sang ein Loblied auf die alte Hausbesetzerzeit. Das Publikum war viel interessanter: eine Frau mit Bart und Kamera mischte sich häufig ein, die original 68er streuten ab und zu "Scheiße" ein, und zwei Plätze weiter notierte sich ein Mann "Yuppies" und "MTV-Arschlöcher". Anscheinend war er Spiegel-Journalist und hat daraus einen Artikel gebastelt. Dann wurde über Gewalt debattiert, bzw. wo sie anfängt - beim Verkauf öffentlicher Gebäude an private Investoren ohne Mietpreisbindung, Räumungen, oder Steineschmeißen? Eine junge Frau begann mit "ich als Mutter" und bekundete die Angst, ihre Kinder könnten durch die linken Aktivisten auf die schiefe Bahn gebracht werden. Ein Mann erzählte von einen eigenen Renovierungsbemühungen und dass er selbst schon deshalb tätlich angegriffen worden sei. Dann lud er alle zu einer Party ein, um sich selbst ein Bild zu machen. Kommen wird wohl keiner, nachdem er dann gefordert hat, dass "keiner das Recht hat, mit Gewalt zu bestimmen, wer im Kiez wohnt. Wie 1933". Da war Stimmung in der Bude.

Als dann ein aufgebrachter Hausbesetzer meinte, alle sollten jetzt zusammen mal zu Springer rübergehen, löste der Moderator die Versammlung vorsichtshalber offiziell auf. Zu Springer ist natürlich keiner mehr, viele hatten ihr Tannzäpfle noch nicht ausgetrunken.

Was auch immer man von der Debatte inhaltlich mitnimmt: mir ist die linke Streitkultur definitiv lieber als eine konservative. Die Leute machen wenigstens den Mund auf.