Und dann versammelte sich im Redaktionsgebäde der taz ein Konglomerat von Menschen, um mal drüber zu reden. Die Pullis reichten von Fred Perry bis selbstgestrickt, auf der Bühne saß ein schwäbischer ehemaliger Hausbesetzer und jetziger taz-Redakteur, ein innenpolitischer Sprecher der Grünen, und der Vorsitzende der Berliner antifa. Ein etwas unbeholfener Moderator mit journalistisch zu großen Schuhen glänzte mit Fragen wie
"Ganz schön heiß in Berlin, was?"
und
"Jetzt brennen in Berlin Autos. Christoph, was hast du dir dabei gedacht?"
Was auf der Bühne abging war weniger spektakulär. Der Sprecher der antifa zeigte Verständnis für die Wut, riet aber zu gewaltlosen Protestformen. Der junge Grüne hielt sich mit politischen Floskeln und Abweigelungen über Wasser, und taz-Redakteur Christoph sang ein Loblied auf die alte Hausbesetzerzeit. Das Publikum war viel interessanter: eine Frau mit Bart und Kamera mischte sich häufig ein, die original 68er streuten ab und zu "Scheiße" ein, und zwei Plätze weiter notierte sich ein Mann "Yuppies" und "MTV-Arschlöcher". Anscheinend war er Spiegel-Journalist und hat daraus einen Artikel gebastelt. Dann wurde über Gewalt debattiert, bzw. wo sie anfängt - beim Verkauf öffentlicher Gebäude an private Investoren ohne Mietpreisbindung, Räumungen, oder Steineschmeißen? Eine junge Frau begann mit "ich als Mutter" und bekundete die Angst, ihre Kinder könnten durch die linken Aktivisten auf die schiefe Bahn gebracht werden. Ein Mann erzählte von einen eigenen Renovierungsbemühungen und dass er selbst schon deshalb tätlich angegriffen worden sei. Dann lud er alle zu einer Party ein, um sich selbst ein Bild zu machen. Kommen wird wohl keiner, nachdem er dann gefordert hat, dass "keiner das Recht hat, mit Gewalt zu bestimmen, wer im Kiez wohnt. Wie 1933". Da war Stimmung in der Bude.
Als dann ein aufgebrachter Hausbesetzer meinte, alle sollten jetzt zusammen mal zu Springer rübergehen, löste der Moderator die Versammlung vorsichtshalber offiziell auf. Zu Springer ist natürlich keiner mehr, viele hatten ihr Tannzäpfle noch nicht ausgetrunken.
Was auch immer man von der Debatte inhaltlich mitnimmt: mir ist die linke Streitkultur definitiv lieber als eine konservative. Die Leute machen wenigstens den Mund auf.
4 Kommentare:
Ich weiß gar nicht, warum du das schwäbisch so betont hast. Die Hausbesetzer der 80er Jahre waren alle Schwaben; die Leute, die in Prenzlauer Berg im großen Stil Häuser gekauft und Dielen abgeschliffen haben, waren auch alles Schwaben - die Erfinder des Namens "Prenzlberg". Die gehen durch Prenzlauer Berg, schauen an den Fassaden empor und sagen "Des habe alles mir gzahlt".
Hui, hab dir grad ne Email geschrieben, ging aber nicht: User unknown, rejecting address! Was tun?
In meinem Kopf passte Schwabe und Hausbesetzer nicht wirklich zusammen. Aber von denen kenne ich auch nicht allzu viele...
Meine Uni-Adresse sollte mittlerweile gelöscht sein, ich schreib dir mal von meiner neuen!
also: diese ganzen Hausbesetzer (die natürlich sehr wichtig waren und mit ihrer Sturheit viel ermöglicht haben), waren doch alle irgendwie aus Westdeutschland. Das hat die damals genervt, daß genug Wohnraum da war, aber gar nicht erst vermietet wurde, weil leerstehenlassen besser war. (Daß man davon genervt ist, kann man verstehen in einer Stadt, in der in alle Richtungen Osten ist.)
Westberliner waren das normalerweise nicht. Die hatten ja notfalls eine Art Zuhause.
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