Donnerstag, 26. November 2009

Dinosaurier

Dinosaurier gab es ziemlich lange, sie waren groß, starben plötzlich, und rotten jetzt so vor sich hin. Genauso wie der ehemalige Freizeitpark VEB Kulturpark. 1961 gegründet, nach 1991 als Spreepark Plänterwald weitergeführt, 2002 geschlossen. Das Gelände umfasst ein Riesenareal mit Achterbahnen, Wildwasserbahn, Zirkus, Fachwerkstädtchen, Riesenrad und Fressbuden. Der Besitzer setzte sich mit einigen seiner Karussells nach Kolumbien ab, kam mit den Fahrgeschäften und mehr als 100 Kilo Koks zurück und wanderte erstmal ins Gefängnis. Seit 2008 wohnt er in einem Wohnwagen auf dem Gelände. Das modert vor sich hin. Diesen Sommer war ein beliebter Sport, im Treptower Park über den Zaun zu hüpfen um sich den Park aus der Nähe anzuschauen. Der patroullierende Wachdienst beließ es anfangs bei der Aufnahme der Personalien und Platzverweisen, mittlerweile sind pauschal 50€ fällig. Allerdings gibt es Sonntags auch Führungen, organisiert von einem Fan des Parks. Man kann also 2 Stunden über das Gelände stolpern, sich Geschichten über den Park anhören und Fotos machen. Fotos waren schwer angesagt, jedenfalls war die Dichte professioneller Fotoausrüstungen unter den 30 Mitläufern ziemlich hoch. Der Wachdienst war natürlich immer vor und hinter uns. Anscheinend macht der seinen Job im Moment unbezahlt und in der Hoffnung, beim nächsten Investor dann einen Fuß in der Tür zu haben. Ich glaub ja eher, die Jungs bewachen das Koks in der Achterbahn.


Immerhin, die Führung mitzumachen lohnt sich auf jeden Fall. Der Park muss damals von heute auf morgen geschlossen worden sein, denn im Häuschen der Wasserbahn steht noch das Kaffeegeschirr und am Eisstand vergammeln Waffeln mit Mindesthaltbarkeitsdatum 2002. Und wenn man rechts und links kuckt, sieht man allerlei merkwürdiges oder unglaublich schönes. Zum Beispiel:


Jurrassic Park



Wildwasserbahn




Eingang zum Tunnel des Spreeblitz

Leider wird die letzte Führung am 6.12.09 angeboten - und nächstes Jahr soll das Gelände neu bebaut werden. Im Gespräch sind Erich von Däniken, der dort einen UFO-Park aufmachen will, Studenten die das Gelände zur Permaforschung nutzen wollen, oder - Spreepark reloaded. Falls das geschieht macht hoffentlich einer das Laub aus der Rinne und die Äste aus dem Weg.

Samstag, 21. November 2009

linke Streitkultur

Am Mittoch gabs im Café der taz eine Podiumsdiskussion zu brennenden Autos und darüber, ob die als politische Reaktion auf die Yuppiesierung des Kiezes angemessen sind. Das ist das Problem: Hausbesetzer, Künstler und allerhand andere begabte Leute ohne Geld siedeln sich da an, wo man günstig oder für umme wohnen kann und bringen natürlich ihre Kreativität mit. Dadurch wird die Gegend auch für den Mainstream interessant, es gibt Ausstellungen, Cafés, besetzte Häuser, Volxküchen und Kloppereien mit der Polizei. Daher kaufen große Gesellschaften Wohnraum auf, schleifen den Dielenboden ab, setzen große Fenster ein, kleben Styroporstuck an die Decke und bauen Zentralheizung ein. Und vermieten sie anschließend für das doppelte weiter. Das können sich die mittellosen Kreativen nicht leisten, ziehen weg und werten den nächsten Bezirk auf. Gentrifizierung ist hier das Stichwort. In diesem Fall zünden sie aus Protest ein paar teure Autos an, um den reichen Neuzugezogenen ihr Missfallen kundzutun. Während Prenzlauer Berg den Prozess schon komplett durchlaufen hat, ist er in Friedrichshain und Kreuzberg bereits voll im Gange, und in Kreuzkölln fängts jetzt gerade an.

Und dann versammelte sich im Redaktionsgebäde der taz ein Konglomerat von Menschen, um mal drüber zu reden. Die Pullis reichten von Fred Perry bis selbstgestrickt, auf der Bühne saß ein schwäbischer ehemaliger Hausbesetzer und jetziger taz-Redakteur, ein innenpolitischer Sprecher der Grünen, und der Vorsitzende der Berliner antifa. Ein etwas unbeholfener Moderator mit journalistisch zu großen Schuhen glänzte mit Fragen wie

"Ganz schön heiß in Berlin, was?"
und
"Jetzt brennen in Berlin Autos. Christoph, was hast du dir dabei gedacht?"

Was auf der Bühne abging war weniger spektakulär. Der Sprecher der antifa zeigte Verständnis für die Wut, riet aber zu gewaltlosen Protestformen. Der junge Grüne hielt sich mit politischen Floskeln und Abweigelungen über Wasser, und taz-Redakteur Christoph sang ein Loblied auf die alte Hausbesetzerzeit. Das Publikum war viel interessanter: eine Frau mit Bart und Kamera mischte sich häufig ein, die original 68er streuten ab und zu "Scheiße" ein, und zwei Plätze weiter notierte sich ein Mann "Yuppies" und "MTV-Arschlöcher". Anscheinend war er Spiegel-Journalist und hat daraus einen Artikel gebastelt. Dann wurde über Gewalt debattiert, bzw. wo sie anfängt - beim Verkauf öffentlicher Gebäude an private Investoren ohne Mietpreisbindung, Räumungen, oder Steineschmeißen? Eine junge Frau begann mit "ich als Mutter" und bekundete die Angst, ihre Kinder könnten durch die linken Aktivisten auf die schiefe Bahn gebracht werden. Ein Mann erzählte von einen eigenen Renovierungsbemühungen und dass er selbst schon deshalb tätlich angegriffen worden sei. Dann lud er alle zu einer Party ein, um sich selbst ein Bild zu machen. Kommen wird wohl keiner, nachdem er dann gefordert hat, dass "keiner das Recht hat, mit Gewalt zu bestimmen, wer im Kiez wohnt. Wie 1933". Da war Stimmung in der Bude.

Als dann ein aufgebrachter Hausbesetzer meinte, alle sollten jetzt zusammen mal zu Springer rübergehen, löste der Moderator die Versammlung vorsichtshalber offiziell auf. Zu Springer ist natürlich keiner mehr, viele hatten ihr Tannzäpfle noch nicht ausgetrunken.

Was auch immer man von der Debatte inhaltlich mitnimmt: mir ist die linke Streitkultur definitiv lieber als eine konservative. Die Leute machen wenigstens den Mund auf.

Montag, 2. November 2009

optimism bias

Heute ist Montag, der 2. November. Gestern ist meine Monatsfahrkarte der BVG abgelaufen (die gelten hier netterweise auch noch am 1. des Folgemonats) und ich warte darauf, mich an der FU einzuschreiben und dann auch endlich ein Berliner Semesterticket zu bekommen. Der Plan war: die Strecke (17 km) einfach mit dem Fahrrad fahren, bis ich das Ticket hab. Leider war gestern auch der letzte Tag mit fahrradtauglichem Wetter auf absehbare Zeit:



Ich hab mir dann heute vom Gebrauchtfahrkartenhändler an der Ecke eine Tageskarte gekauft und steige wohl auf Wochenticket um...

PS: Der Titel könnte mir einigen Ärger bereiten: der kommt nämlich aus der Heuristics and Biases - Ecke, und auf die ist mein Alma Pater nicht so gut zu sprechen. Wer dem allerdings vorwirft, Heuristiken für alles aus dem Ärmel zu schütteln, sollte sich mal diese Liste ansehen. Da gibts Namen für alles, was man nur möglicherweise im Bereich Denken, Entscheiden und Urteilen machen kann. Und auch fürs Gegenteil.